Viel inspirierender als jede bilderreiche Homestory
in Wohnmagazinen

Monsieur Honoré de Balzac (1799 – 1850) und seine Liebe zur Innenarchitektur.

Zwischen Fachliteratur zum Thema Wohnen und Einrichten und zeitgenössischen Romanen nehmen wir immer gerne Klassiker der französischen Literatur aus der Bibliothek hervor und sind begeistert von der sprachlichen Eleganz und den starken Bildern die sie evozieren. Wir möchten gerne den kommenden Auszug aus dem Text „Das Mädchen mit den Goldaugen“ aus dem Band ‚Das unbekannte Meisterwerk‘ (Übersetzung von Viktor von Koczian) mit euch teilen.

Der Duft der Rosen ist förmlich zu riechen, die Weichheit des Kaschmirs und die Kühle des Marmors zu spüren ….

(…) ‚Die eine Hälfte des Boudoirs beschrieb einen weichen, anmutigen Kreisbogen, der im Gegensatz zu der anderen, vollkommen rechtwinklig ausgestalteten Hälfte stand, an deren Stirnwand ein Kamin aus Gold und weissem Marmor glänzte. Auf der anderen Seite befand sich ein Fenster und diesem gegenüber, hinter einem reich bestickten Vorhang verborgen, die Tür, durch die er eingetreten war.

Diesen hufeisenförmigen Raum schmückte ein echter türkischer Diwan, das heisst, eine auf die Erde gelegte Matratze von fünfzig Fuss Umfang und hoch wie ein Bett! Der weisse Kaschmir des Diwans war stellenweise mittels rautenförmig angeordneter, schwarzer und mohnroter Seidenquasten gerafft. Die Rückwand dieses Riesenbettes reichte einige Zoll über zahlreiche Kissen empor, deren geschmackvoller Zierrat es nur noch verschönerte. Die Wände des Boudoirs waren mit rotem Stoff verkleidet, darauf war indischer Musselin angebracht, der durch seine halbrunde Fältelung wie eine korinthische Säule kanneliert war. Der obere und untere Rand bestand aus einem mohnfarbenen, mit schwarzen Arabesken bemalten Stoffband. Der Mousselin dämpfte das kräftige Rot der Tapete zu einem Rosenrot, der Farbe der Liebe, die auch aus den Fenstervorhängen widerschimmerte, deren indischer Musselin mit rosafarbener Seide gefüttert und mit schwarzen und mohnroten Fransen verziert war.

Zur Beleuchtung des Diwans dienten sechs vergoldete Leuchter, die an der Wand befestigt waren und je zwei Kerzen trugen. Die Decke, in deren Mitte ein mattvergoldeter Lüster herabhing, erglänzte in leuchtendem Weiss, die Gesimse waren vergoldet. Der Teppich war einem orientalischen Schal nachgebildet und erinnerte an Gedichte Persiens, wo Sklavenhände ihn gewirkt hatten. Die Stühle waren ebenfalls mit weissem Kaschmir bezogen und mit schwarzen und mohnfarbenen Schnüren und Quasten verziert. Die Standuhr, die Kanderlaber – alles war aus weissem Mamor und Gold.

Auf dem einzigen Tisch im Raum lag eine Kaschmirdecke. Prächtige Blumenständer enthielten allerlei Rosen, weisse und rote Blumen. Selbst die geringfügigste Einzelheit zeugte von liebevollster Sorgfalt. Niemals hatte sich der Reichtum so kokett den Blicken entzogen wie hier, wo er, zu anmutvoller Eleganz gewandelt, köstlichste Wollust einflösste. Hier musste das kälteste Wesen entflammen. Die Wandverkleidung, deren Farbe je nach Blickrichtung changierte und entweder ganz weiss oder rosenrot schimmerte, harmonisierte so mit den Reflexen des Lichts, das sich in den gewellten Musselin ergoss, dass dies zu wolkenartigen Erscheinungen führte. Die Seele hat eine seltsame Vorliebe für Weiss, die Liebe für Rot und das Gold ergötzt die Leidenschaften, denn es hat die Macht, ihre Launen zu verwirklichen. All die seltsamen, unerklärlichen, geheimnisvollen Neigungen, die der Mensch in sich trägt, fühlten sich hier geschmeichelt. Die vollendet schöne Farbharmonie rief in der Seele unwillkürlich lustvolle, in fernen Welten umherschweifende Gedanken wach.‘